Jahrelang habe ich hart geschuftet, mir ein Ansehen im Unternehmensumfeld (Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten, Banken, Behörden) erarbeitet und heute sitze ich fassungslos vor meinem Rechtsberater der mir gerade erklärt, dass mein Unternehmen infolge Zahlungsunfähigkeit eine Insolvenz anmelden muss. Einfühlsam, aber deshalb nicht minder niederschmetternd fügt er hinzu, dass die an meine Hausbank gegebenen Garantien, wie die hypothekarische Verpfändung meines Eigenheimes, die Bürgschaft meiner Frau und die Ausstellung eines persönlichen Blankowechsel in Anspruch genommen werden und dass ich für meine Verbindlichkeiten gegenüber dem Sozialversicherungsträger mit meinem persönlichen Vermögen hafte. Was werden die Kunden denken und wie werden sie reagieren wenn sie erfahren, dass ihre Anzahlungen für jene Aufträge, die sich noch in Produktion befinden, verloren sind. Werden meine Lieferanten mich weiterhin beliefern, wenn sie große Teile ihrer Forderungen abschreiben müssen, und wenn doch, zu welchen Konditionen werden sie überhaupt noch bereit sein. Was werden meine Mitarbeiter von mir halten; oft genug haben sie mir angedeutet, dass es Schwachstellen gibt und Anzeichen für eine negative Entwicklung im Unternehmen. Aber diese Schwankungen hat es immer wieder gegeben und wir waren in der Lage sie auszugleichen und das Schiff wieder in ruhiges Fahrwasser zu navigieren. Warum ist es diesmal schiefgegangen und warum habe ich es völlig übersehen im Trubel des geschäftlichen Alltages.
Leider kommt es tagtäglich vor, dass Unternehmer wie vorhin abgebildet vom Blitz aus dem scheinbar heiteren Himmel getroffen werden. Dabei ist es aber in mehr als 90 Prozent der Fälle schon sehr lange kein wolkenloser Himmel, der sich über dem Unternehmen erstreckt. Ein Krisenverlauf beginnt in der Regel lange vor dem tatsächlichen Zusammenbruch und Krisen begründen sich meisten auf mehrere Ursachen, wobei man die Krisenarten wie folgt unterteilen kann:
- Stakeholderkrise dazu gehören Gesellschafter, Beirat, Aufsichtsrat, Management, Arbeitnehmer, Finanzgeber, Kunden, Lieferanten, Behörden. Die Stakeholderkrise ist der typische Ausgangspunkt einer Unternehmenskrise. Fehler und Schwächen im Führungsverhalten des Managements, Konflikte innerhalb der Unternehmensleitung bleiben der Belegschaft nicht verborgen und führen häufig zur Demotivation und einem Leistungsabfall bei den Mitarbeitern.
- Strategiekrise Kein klares Unternehmensleitbild mehr, fehlende Unternehmensziele. Keine eindeutige Strategie mit welchen Produkten und Leistungen ein Nutzen für den Kunden generiert werden kann, keine Abhebung von der Konkurrenz, keine ausgefeilte Kundenbindungspolitik, Angebotspolitik und Preisgestaltung sowie das Verschlafen von Trends und Entwicklungen am Markt.
- Produkt und Absatzkrise Dieses Stadium der Krise ist gekennzeichnet durch stagnierende und rückläufige Nachfrage nach den Umsatzträgern des Unternehmens. Verursacht wird diese Krise durch Fehler im Marketing- und Vertriebskonzept, Schwächen in der Produkt- und Servicequalität, schlechte Liefertreue und Preispolitik.
- Erfolgskrise Die Erfolgskrise wird begründet durch den Nachfragerückgang der Kunden, Kostensteigerungen oder Preisverfall. Die Folge davon sind Gewinnrückgänge oder Verluste, und diese beginnen das vorhandene Eigenkapital langsam aber sicher aufzuzehren, was sich wiederum in einem schlechteren Rating bei den Kapitalgebern auswirkt.
- Liquiditätskrise In diesem Stadium befindet sich das Unternehmen bereits in der Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit. Voll ausgenützte Bankrahmen, verzweifelte Versuche zur Umschichtung der Finanzierung, offene Lieferantenrechnungen, nicht bezahlte Entgelte der Mitarbeiter und der Sozialabgaben sind einige typische Indikatoren dieser Krise.Häufig durchläuft die Unternehmenskrise verschiedene dieser Stadien. Am Anfang unbemerkt und als schleichender Prozess entwickelt sie sich über Jahre hinweg bis sie sichtbar zu Tage tritt. Ein Teufelskreis beginnt und führt zur
- Insolvenz wenn es dem Unternehmen nicht gelingt, in den vorhin genannten Krisenstadien akut gegen zu steuern und den Turnaround zu schaffen. Dann steht der Unternehmer vor der Situation wie am Anfang dieses Berichtes dargestellt.
Um diesen Turnaround zu schaffen müssen die Anzeichen einer sich aufbauenden Unternehmenskrise frühzeitig erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Unerlässlich hierbei ist ein im Unternehmen installiertes, gut funktionierendes Krisenfrühwarnsystem, welches regelmäßig die Unternehmenszahlen sowie die qualitativen Faktoren des Unternehmens auf Krisenindikatoren untersucht und auswertet.
Mag. Hannes Handler, MBA MSc
Akademischer Unternehmensberater
CMC- Certified Management Consultant
Member of CONSENCO Consulting Group
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